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Thema: Zwischen Datenschatz und Datenschutz
Psychotherapie und Medizin im Zeitalter von Big Data 
Ist Privatheit Diebstahl? (nach Dave Eggers "The Circle")
Datum: Samstag, 16. April 2016
Gebühr: 85,00 Euro (erm. 40,00 Euro)
Ort:

Rheinische Kliniken Düsseldorf – Sozialzentrum
Bergische Landstraße 2, 40629 Düsseldorf

Zertifizierung:

Die Veranstaltung wurde von der Psychotherapeutenkammer NRW mit 8 Punkten akkreditiert


DAS PROGRAMM

Moderation: Prof. Dr. Dr. Heinz Schott

11:15 Uhr Einlass
12:00-12:15 Uhr Begrüßung und Eröffnung
12:15-13:30 Uhr

„Du kannst das Spiel nicht gegen den Kontrollverlust spielen“
Michael Seemann (Berlin)

13:30-14:15 Uhr Pause
14:15-15:30 Uhr „'Do`s & Don't`s' bei der Einführung von e-Health-Anwendungen aus Sicht der niedergelassenen Ärzteschaft“
Mag rer. nat. Sabine Schuh (Wien)
15:30-16:00 Uhr Pause
16:00-17:15 Uhr „BIG DATA – Was wird aus der Schweigepflicht?“
Dipl.-Psych. Hans Metsch (Gerlingen)
17:15-17:45 Uhr Pause
17:45-19:00 Uhr „Wie die sozialen Netzwerke das unglückliche Bewusstsein fördern und warum das zur Deformation des Selbst führt“
Prof. Dr. Roland Reuß (Heidelberg)
19:00-19:45 Uhr

Plenumsdiskussion mit allen Referenten
Moderation: Prof. Dr. Dr. Heinz Schott

19:45-20:00 Uhr

Verabschiedung und Ende der Veranstaltung


DIE REFERENTEN

Michael, Seemann,
Kulturwissenschaftler, Netztheoretiker, Blogger und Dozent, Berlin, schreibt seit 2010 über den Verlust der Kontrolle über die Daten und stellt 10 Regeln auf für das Neue Spiel nach Feststellung des Kontrollverlustes („Das Neue Spiel“, 2014).

Sabine Schuh
Magistra rer. nat., stellvertretende Kurienmanagerin der Kurie niedergelassener Ärztinnen (Ärztekammer für Wien, 1010 Wien) zum Thema ELGA in Österreich.

Hans Metsch,
Dipl.-Psych. und Psychologischer Psychotherapeut, Autor verschiedener Internet-Projekte und seit 2001 Webmaster der Landespsychotherapeutenkammer Baden-Württemberg.

Roland Reuß, Prof. Dr., Professor für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft, Uni Heidelberg.


Zur aktuellen Positionierung von Vertrauen und Offenheit in der Psychotherapie als die zentralen Wirkvariablen psychotherapeutischen Erfolges auf dem besonderen und historischen Hintergrund von BIG DATA.

Psychotherapie zwischen Datenschatz und Datenschutz

Vertrauen und Offenheit werden methoden- und Psychotherapieschulen-übergreifend  als die wichtigsten Wirkvariablen innerhalb eines psychotherapeutischen Veränderungsprozesses gesehen.

Dies ist von einem psychotherapeutischen Urgestein wie Klaus GRAWE bereits 1988 wissenschaftlich  begründet worden. Für GRAWE ist die Vorstellung maßgeblich, „dass der Mensch grundsätzlich von sich aus zielgerichtet aktiv ist“. Er leitete daraus das für viele KollegInnen in ihrer täglichen Arbeit mittlerweile selbstverständlich gewordene Konstrukt ab, sich jeweils neu und spezifisch im Rahmen eines vielfältig gelernten Methodeninventars auf die Selbst-Wirksamkeit des Patienten zu konzentrieren anstatt eine vorherbestimmte Ergebnis- und Normalitätsstruktur als Grundlage für den Veränderungsprozess zu verfolgen („Du musst so sein, wie die Norm es Dir sagt.“).

Die stete und anhaltende Nutzung von  Psychotherapie seit dieser Zeit, auch erkennbar in der politischen Anerkennung  des zugelassen Berufsstandes des Ärztlichen und Psychologischen Psychotherapeuten und der geregelten Psychotherapie-Leistung  für alle in der gesetzlichen Krankenkasse organisierten Mitglieder, steht mit der weiteren massenhaften Digitalisierung von Patienten-Daten, beispielsweise mit der möglichen Durchführung und Implementierung einer elektronischen Gesundheitsakte nach Einführung der elektronischen Gesundheitskarte, auf dem Spiel, da die Kontrolle sämtlicher relevanter Therapiedaten abgegeben wird an eine CLOUD.

Die Einführung von ELGA (elektronische Gesundheitsakte) in Österreich wird deswegen auch kritisch gesehen, sodass  beispielsweise der österreichische Hausärzteverband (ÖHV) den Patienten den ELGA-Austritt empfiehlt, u.a. „weil das System völlig unausgereift sei.“ Der österreichische Justizsprecher der GRÜNEN  Albert Steinhauser spricht davon, dass „es nur eine Frage der Zeit ist, bis ELGA geknackt wird.“ Die Ärztekammer warnt vor einem „gläsernen Patienten“. Auch der SPIEGEL berichtet in seiner Ausgabe vom 05.12.2015, dass  „mobil und digital die beiden Megatrends der Zeit seien und die Gesundheitsindustrie voll erfassen, eine Branche, die allein in den USA 2014 rund drei Billionen Dollar umsetzte.“ Interessanterweise wird auf den vielen Seiten dieses Leitthemas „Der gläserne Patient“ das Für und Wider der Digitalisierung im Gesundheits- und Krankenkassenwesen behandelt ohne auch nur einmal im Allgemeinen wie im Besonderen die Psychotherapie zu erwähnen und auch kein Hinweis gegeben, dass die elektronische Gesundsheitsakte als strategische Folge der elektronischen Gesundheitskarte im EU-Nachbarland Österreich bereits streitbare Wirklichkeit geworden ist.

Warum sollte eine PatientIn auch in der Bundesrepublik Deutschland in einer Heilmethode noch einen möglichen Erfolgsweg zur Genesung  sehen, wenn sie damit rechnen muss, dass ein Geheimdienst, ein Arbeitgeber oder wie auch immer anderer Interessent, mit seinen privaten Daten sie eigentlich noch verletzbarer macht? Welche Rolle übernimmt hier auf einmal die sich zunächst als Datenschutz-zertifizierte PsychotherapeutIn ausgebende BehandlerIn, wenn sie nicht gewährleisten kann, was tatsächlich die Krankenkasse mit den Daten macht und diese möglicherweise an fusionierende oder interessierte Unternehmen weiterverkauft? Was passiert, wenn BIG DATA (zahllose Speicherung und Analyse von Daten) bei der Durchdringung der Zivilgesellschaft auch nicht Halt macht bei Daten persönlicher Gesundheit? Was wird aus der Schweigepflicht, die  die rechtliche Einbettung von Vertrauen und Offenheit ermöglicht und gewährleistet, wenn man feststellen muss, dass bereits jetzt KollegInnen sorglos, unbekümmert und unkritisch und deswegen nicht fürsorglich mit den Daten eigener PatientInnen umgehen, wenn sie die telefonische Rufnummernübermittlung nicht abgeschaltet haben, wie Hans Metsch, Diplom-Psychologe und niedergelassener Psychotherapeut, Webmaster der Landespsychotherapeutenkammer Baden-Württemberg,  in einem einfühlsamen und pragmatisch-orientiert geschriebenen Artikel im PSYCHOTHERAPEUTENJOURNAL 1/2014 feststellt?

Dürfen eine instrumentalisierte  Medienlandschaft und eine Informationsverarbeitende Öffentlichkeit, darunter auch Diagnosen verteilende ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen Hinweise auf einen mutmaßlichen Attentäter machen, der  „ein psychisches Problem gehabt habe“ ohne zunächst die rechtsstaatliche Unschuldsvermutung anzuwenden und damit den Artikel 1 des Deutschen Grundgesetzes nicht außer Kraft zu setzen? Führt ein Umstand ab jetzt dazu, ein  „psychisches Problem“ beispielsweise durch in einer CLOUD abgelegten Dokumentation leicht durchsichtig gemacht zu haben, zu bevorzugen, sich nicht mehr behandeln zu lassen, weil man generalverdachtsmäßig befürchtet, seinen Job und Arbeitsplatz zu verlieren und deswegen bevorzugt, eine notwendige Behandlung nicht einzuleiten?

Die digitale Partizipation steigert die Verletzbarkeit aller und des Einzelnen gewaltig und ist es da ratsam als Krankenkasse damit zu werben, dass der Erhalt der elektronischen Gesundheitskarte das Mitglied „jetzt zu einem modernen Menschen gemacht hat?“ Wird hier die Menschenwertfrage  und pauschal in Aussicht gestellt, dass „unmodern“ heißt, als PatientIn und Mensch nichts mehr oder weniger wert zu sein, weil man Privatheit (also Offenheit in und durch Vertrauen) aufrechterhalten und nicht aufgeben will und in dieser Privatheit keinen Diebstahl sieht, sondern einen Gewinn, weil sie nötige Voraussetzung erfolgreicher Psychotherapie grundlegt?

Die nächste Veranstaltung des AUDITORIUMS im April 2016 möchte eine Plattform darstellen, wie PsychotherapeutInnen eine eigene Haltung im Umgang mit BIG DATA entwickeln und finden können, so dass sie für sich in Anspruch nehmen können, die Geschütztheit des therapeutischen Settings als Voraussetzung erfolgreichen therapeutischen Handelns ihren PatientInnen fortgesetzt anbieten und gewährleisten zu können.


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